1. Die alten Deutschen.
Unsere Vorfahren stammen aus Asien und wanderten schon vor Christi Geburt in Deutschland ein. Sie waren groß und stark von Körper, hatten einen prächtigen Wuchs, langes, hellblondes Haar und blaue Augen. Ihre Religion war die heidnische. Sie verehrten ihre Götter, deren oberster Wodan genannt wurde, in heilig gehaltenen Hainen unter mächtigen Eichen und glaubten an Unsterblichkeit. Die Guten kamen, wie sie sagten, nach Walhalla und speisten daselbst mit Wodan an einer reichbesetzten Tafel; die Bösen hingegen mußten in die Unterwelt zu dem rächenden und strafenden Gott Loki und seiner Tochter Hel. — Die alten Deutschen waren ein tapferes, treues und gastfreies Volk. Ein gegebenes Versprechen brachen sie nie. Ihre Freiheit liebten sie über Alles, und um sich diese zu erhalten, haben sie muthig gekämpft.
Zur Zeit der Geburt Christi regierte in Rom der Kaiser Augustus. Dieser beschloß, die Germanen (so nämlich wurden die Deutschen von den Römern genannt) zu unterjochen. Er sandte zu dem Ende seinen Feldherrn Varus nach Deutschland, und dieser bedrückte die Germanen auf das Härteste. Zunächst ließ er am Rhein entlang Burgen errichten, in welche er römische Besatzung legte. Dann wurden unsere Vorsahren gezwungen, hohe Abgaben zu entrichten und sich bei Streitigkeiten von römischen Richtern das Urtheil sprechen zu lassen. Sie mußten den Fremden bei dem Bau von Landstraßen behülflich sein und manche schwere und ganz ungewohnte Arbeit verrichten. Die Germanen ließen sich diese Bedrückung eine Zeit lang gefallen; als aber die Abgaben, welche Varus verlangte, immer größer und lästiger wurden, und man Diejenigen, welche sich aussetzen wollten, mit Ruthen peitschte, manche sogar auf grausame Weise hinrichtete — da beschlossen die Bedrängten, Alles daran zu setzen, um die Fremdherrschaft zu brechen.
Armin oder Hermann, ein junger Deutscher, ein Fürstensohn aus dem Stamme der Cherusker, kehrte im Verein mit andern deutschen Jünglingen aus Rom zurück. Sie hatten sich, von den Römern beredet, eine Zeit lang dort aufgehalten und die Sitten und Einrichtungen der Fremden kennen gelernt. Als Hermann die Leiden seines Volkes sah, beschloß er sofort den Befreiungsversuch. Er berief große Versammlungen der Germanen nach Wäldern und in abgelegene Gegenden und rief in begeisternden Reden das Volk auf, zur Vertreibung der Unterdrücker sich zu einigen. Bald brachte er es dahin, daß viele deutsche Stämme für diesen Zweck ein geheimes Bündniß schlossen. Varus
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Auch Karl der Große schien es für nötig zu halten, aus seinen Schutz bedacht zu sein. Er baute auf der Eseshö an der Stör die Burg Esesfeld, die der Grund zu dem jetzigen Itzehoe geworden ist, 809. An der Mündung der Alster in die Elbe wurde Hammaburg (die Burg im Walde) erbaut, unter deren Schutz die Stadt Hamburg erblühte.
Im Jahre 810, als Karl in Aachen anwesend war, erhielt er plötzlich die Nachricht, daß Gottfried mit seiner Flotte in Fries-land, dem jetzigen Holland, gelandet sei. Ehe aber der Kaiser den Kamps eröffnen konnte, wurde ihm gemeldet, der König Gottfried habe durch seine eigenen Kriegsleute den Tod gefunden und sein Nachfolger Hemming treffe Anordnungen zum Rückzüge. In dem Frieden, der 811 zu Stande kam, wurde die Eider zur Nordgrenze des fränkischen Reiches bestimmt.
4. Glauben und Leben unserer heidnischen Vorfahren.
Die Sachsen, Friesen, Angeln und Juten, die als verschiedene Zweige eines großen Stammes anzusehen sind, hatten bei aller Verschiedenheit so viel Übereinstimmendes, daß wir sie zusammenfassen können.
Als oberster Gott wurde bei den nördlichen Völkern Odin verehrt, den die Sachsen Wodan nannten. Er ist der Allvater, der mit seinem allsehenden Auge aus seiner himmlischen Wohnung auf die Erde herabschaut und alle Schicksale lenkt, besonders aber den Ausgang der Schlachten in seiner Hand hat. Der vornehmste seiner Söhne war Donar oder Thor, der Gott des Krieges und des Donners. Auf seinem Heerwagen fuhr er zur Zeit des Gewitters unter dem Himmel und tras die Feinde mit seinem mächtigen Hammer, der immer, nachdem er ihn zur Erde geschleudert, in seine Hand zurückkehrte. Der Gott Freyr, auch Odins Sohn, sorgte für Jagd und Fischerei, für günstigen Wind und gute Jahre. Seine Schwester Freia war die Göttin der Liebe und die Geberin alles Segens in Wald und Feld. Wie dem Odin der Mittwoch geheiligt war, so wurde der Donnerstag nach Thor, der Freitag nach Freia benannt. Als böse Geister in dieser Götterwelt werden Loki und seine furchtbare Tochter Hell oder Hela angesehen.*)
*) Nach dem römischen Schriftsteller Tacitus verehrten 7 deutsche Völkerschaften an der Ostsee die Göttin Nerthus, die allernahrende Mutter Erde. Auf einer Insel hatte sie einen heiligen Hain, in welchem ein mit Decken verhüllter Wagen stand Wenn der Priester, der hier angestellt war, verkündigte, die Göttin sei herabgestiegen auf ihren Wagen, so bespannte er ihn mit geweihten Kühen und geleitete ihn mit tiefster Ehrfurcht. Großer Jubel herrschte an allen Orten, welche die Göttin ihres Besuches würdigte. Nachdem sie ihren Einzug gehalten, wurde der Wagen nebst den Decken in einem geheimnisvollen See, dem Nerthussee, gebadet. Die Sklaven aber, welche diesen Dienst verrichteten, wurden von dem See verschlungen. Einige Gelehrte halten die Insel
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Herrlich war Odins Wohnung, Walhalla genannt, der schöne Göttersaal und die Wohnung der Seligen. In Walhalla wurden alle diejenigen aufgenommen, welche sich durch heldenmütige Tapferkeit auf dem Schlachtfelde ausgezeichnet hatten. Odins Jungfrauen standen bereit, um die Helden zu empfangen und ihnen zum Willkommen deu Weinbecher zu reichen, der sonst den Göttern vorbehalten war. Die Götterwohnung hatte 540 Pforten, und jede Pforte war so weit, daß 800 Mauu neben einander hineingehen konnten. Das Dach war von blanken Schilden und die Wand von Spießen gebildet; blinkende Schwerter, welche Sonnenglanz verbreiteten, dienten statt Fackeln. Vor der Wohnung lag ein grünes Feld, wo die Helden ihr früheres Kampfspiel fortsetzten, indem sie jeden Morgen auszogen und sich gegenseitig erschlugen. Allein die Gefallenen erheben sich wieder, kehren nach Walhalla zurück und setzen sich nieder zum fröhlichen Mahle. Es wird Speck gegessen von einem Eber, der täglich geschlachtet wird, aber immer wieder auflebt. Aus großen Hörnern von Auerochsen wird der köstliche Met unter schallendem Jubel im Kreise herumgetrunken. — Die rühmlich verstorbenen Frauen kamen zu Frigga, Odins Gemahlin, die ebenfalls eine herrliche Wohnung hatte. — Die Feig en dagegen, die nie Feindesblut hatten fließen sehen, gelangten nach ihrem Tode in das finstere Haus der Göttin Heia, wo Jammer, Angst und Klage herrschte.
Bemerkenswert ist auch die Vorstellung von dem Ende der Welt. Nicht bloß die Erde, sondern auch der schöne Götterhimmel soll durch die Gewalt des Feuers zerstört werden. Aber eine bessere Welt, in welcher keine Übel mehr herrschen, wird sich ans den Trümmern erheben.
Zur Verehrung der Götter errichteten unsere Vorfahren keine prächtigen Tempel, wie die alten Griechen und Römer sie auf-weisen konnten. Ein dunkler Wald, wo bald die feierliche Stille, bald das Rauschen der Blätter ihr Gemüt wunderbar ergriff, war die Stätte, wo sie ihre Götter anbeteten. Besonbers versammelten sie sich gerne auf einer Anhöhe, in der Nähe hoher kräftiger Eichen, die mit Siegeszeichen geschmückt und dem Gotte des Donners geweiht würden. Der Schiersberg totbete bett Mittelpunkt der Gottesverehrung in Angeln, ein bewalbeter Hügel östlich von Winbbergen, der noch jetzt Wobansberg heißt, war ein heiliger Ort der Ditmarscher k.
Der wichtigste Teil des Gottesbienstes bestanb in der Darbringung der Opfer. Ein großer Felsblock, ober ein geordneter Steinhaufen, war der Altar, auf welchem der Priester die
911 fen (b. h. Elfeninsel), anbere das Land Olbenburg (S. 58), noch anbete die Insel Rügen für die Nerthnsinsel. — Als ein besonbers heiliger Ort der Friesen wirb die Insel Helgolanb (das heilige Land) angesehen.
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Opferhandlung vollzog?) Außer Tieren und Feldfrüchten wurden auch zuweilen Menschen geopfert. Als Karl der Große einst an der Aller viele Anhänger Wittekinds hatte töten lassen, gelobten die Sachsen ihrem Gotte Wodan: „Wenn du uns den Sieg geben willst über diesen grausamen Kaiser, so wollen wir alle Gefangenen opfern auf deinem heiligen Harzberge." — Das Hauptfest war das Juulfest, welches nach dem kürzesten Tage zur Feier der wiederkehrenden Sonne stattfand.
Da die Hauptgötter unserer Vorfahren Kriegsgötter waren und da nur die Helden, die sich durch blutige Thaten berühmt gemacht hatten, hoffen durften, an den Freuden Walhallas teil zu nehmen, so wurde selbstverständlich die Tapferkeit für die höchste Tugend, Feigheit für das entehrendste Laster gehalten. Der Heldentod auf dem Schlachtfelde war daher das größte Glück, welches nicttt sich denken konnte. Diese Lebensanschauung wurde genährt durch Dichter und Sänger (Skalden und Barden), welche namentlich an den Festtagen und bei Gastmählern die großen Helden der Vorzeit besangen. Jeder lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit auf ihre Gesäuge und war dann nur von dem Wunsche beseelt, auch einst auf solche Weise in dem Gedächtnis seiner Nachkommen fortzuleben.
Der kriegerische Sinn jener Zeit offenbarte sich auch iu der Erziehung der Kinder. Schon die kindlichen Spiele (Ringen, Laufen, Springen, Klettern 2c.) dienten dazu, den Körper gewandt und stark zu machen und alle Furcht aus dem Herzen zu verbannen. Deutsche Jünglinge tanzten unbekleidet zwischen scharfen Schwertern umher, so daß der geringste Fehltritt ihnen das Leben kosten konnte. Auch machten die Hausväter ihre Kinder schon frühe mit den Sagen des Landes bekannt, um ihnen Ehrfurcht vor den Göttern einzuflößen und das Hochgefühl in ihnen wach zu rufen, daß sie einem Heldenstamm angehörten.
Für den Durft nach Ruhm und gefahrvollen Unternehmungen waren die Grenzen des Geburtslandes oft zu beschränkt. Unsere Vorfahren machten Raubzüge, „Wikingzüge" genannt**), in andere Länder und führten die reiche Beute als ehrlich erworbenes Eigentum nach Hause. Jedes Frühjahr zogen sie aus, schweiften in allen Meeren umher und machten ihren Namen so furchtbar, daß nicht bloß England, sondern auch Frankreich vor ihnen in Schrecken geriet. — Aber auch in ihrer Heimat fehlte es ihnen selbst dann, wenn kein Krieg geführt wurde, nicht an Gelegenheit,
*) Einige solche Opfersteine sind noch erhalten, 5. B. bei Albersdorf in Ditmarfchen. Joh. Rist, Prediger in Wedel, (auch als Liederdichter bekannt, T 1667) hatte einen solchen Opferstein in seinem Garten, auf welchem er oft seine Mahlzeit hielt. Nach Dr. Michelsen (Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte 1 S. 51) sind übrigens jene „sogenannten Opfer-Altäre" nichts weiter als Krab-kammern des Urvolks gewesen. (?)
**) Wik — Bucht, Wikinq — Buchtenplünderer.
Hstk», Schleswig-Holstein. 7
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Wenn ein Krieg in Aussicht stand, so wählten die freien Männer einen Anführer, den sie Herzog nannten.
2. Die Wagrier, die den östlichen Teil Nordelbinaens bewohnten und die Polaben in der Gegend des Ratzeburger Lees gehörten zum slavischen Volksstamme und wichen in der Lebensweise in mancher Hinsicht von den germanischen Völkern ab Der Hauptgott, dem alle Wenden, also auch die Wagrier und die Polaben opferten, war der Zwantewith, der seinen Wohnort aus der Insel Rügen hatte. Außerdem verehrten die Wagrier noch den Prove, dem eine besondere Stätte in einem Eichenwalde "ei Oldenburg geweihet war. Die Polaben hatten aus der schönen iyttfel im Ratzeburger See einen heiligen Hain der Göttin Siva oder Razivia. — Unter den slavischen Völkern war die Leibeigenschaft in solchem Grade zu Hause, daß das deutsche Wort Lklave (plattdeutsch Slaw) von dem Namen „Slave" abgeleitet wurde. Die Wenden beschäftigten sich nach ihrer Einwanderung tn Europa mit der Landwirtschaft und dem Handel, liebten Gesang und Saitensprel und standen überhaupt rücksichtlich ihrer äußeren Kultur nicht hinter den Germanen zurück. Der Name „Wenden" deutet daraus hin, daß die einzelnen Stamme unter einander in guter Freundschaft lebten; aber auch mit ihren Grenznachbarn traten sie ursprünglich in friedlichen Verkehr und lebhafte Handelsbeziehungen.*) In ihren späteren Kriegen aber zeigten sie sich äußerst roh und wild. Einige Schriftsteller vergleichen sie daher mit Hunden und Raubtieren, andere nennen sie ein „höchst häßliches und abscheuliches Geschlecht von Menschen", Helmold, Prediger in Bosau meint, es sei ihnen „eine unersättliche, ruhelose Grausamkeit angeboren zc."**)
Wir sehen also, daß das Christentum, welches zur Zeit Karls des Großen bereits an die Grenze unseres Laubes gebrungen war, im geraben Gegensatze staub zu der ganzen Denk- und Lebensweise unserer Vorfahren. Ihren mächtigen Kriegsgöttern sollten sie entsagen und nun einen Gott des Friebens anbeten, zu dem sie nicht mit Ehrfurcht hinaufblicken konnten. Walhalla sollten sie mit erneut Himmel vertauschen, für beffen Freuben sie keinen Sinn hatten. Die Rache, jvelche sie für eine heilige Pflicht hielten, sollten sie jetzt als Sünbe verabscheuen. — Viele ernste Gemüter rauben _ inbes in der heibnischen Götterlehre feine Besriebiguug mehr, sonbern trugen Verlangen nach etwas Höherem und Besserem.
*) Je“d oder ven — jenes ist finnisch, dieses skandinavisch — heißt Freund und Bruder. Vergl. Hollensteiner, Chronikbilder aus der Veraanaen-hett Oldenburgs tn Holstein, S. 20.
- Wahrscheinlich sind sie durch die zwangsweise, schonungslose Einführung des Chrrstentums und durch die ihnen verhaßte deutsche Oberherrschaft allmählich entartet. (Siehe Hollensteiner, Heft 2, S. 89)
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